Märkte bieten als traditionelle Foren der Partizipation Möglichkeiten des Tausches, der Kommunikation, der Information etc. an. Parallelmärkte sind Orte spezifischer Partizipation, die auf bestimmte Produkte, Produktionsprozesse, oder Verkaufspraktiken hin ausgerichtet sind. Sie können als Reaktion auf bestehende Märkte entstanden sein, oder die Kehrseite bestehender Märkte repräsentieren. Orte des selbstorganisierten Handels, an denen Produkte mit hohen Identifikationswerten und ideellen Produktionsherstellungswerten verkauft werden können, oder Waren legal oder illegal angeboten werden können. Identifikationen mit den Produkten können aus unterschiedlichsten Gründen erfolgen: Produkte deren ideeller Wert ökologischen, sozialen, ästhetischen, individuellen Ansprüchen entspricht, verweisen auf eine diesbezügliche Lebenspraxis. Ein Produkt verweist konkret auf einen Lebensstil oder eine Haltung und ist nicht bloß marketingtechnisch aufgeladen. Ein Beispiel für ein in diesem Sinne authentisches Produkt ist das strike bike, das streikende Arbeiter selbstorganisiert in einer Radfabrik in Thüringen herstellten. Mit ihrem strike bike gelang es den ArbeiterInnen auf die Plattsanierung der Radfabrik hinzuweisen und ein Produkt mittels sozialen Inhalts zu verkaufen. Ein möglicher Markt, der mit sozialen Inhalten und Haltungen handelt, könnte ähnlich funktionieren wie die Marke Bio.
Ein Parallelmarkt für Produkte aus selbstorganisierten Herstellungsprozessen könnte entstehen. Diese Markenartikel könnten auf Grund ihrer sozialen und genossenschaftlichen Produktion, die man unterstützen will, gekauft werden. Die Möglichkeit einer solidarischen Geste wird mit dem Produkt vermarktet. Herstellungsbedingungen und -geschichten sind Teil des Produktbrandings, das neue Parallelmärkte für genossenschaftliche Produkte eröffnen könnte. Die Attraktivität eines Produktes wird durch dessen sozialen Gehalt des Herstellungsprozesses bestimmt. Ähnlich agiert auch das Dorf „Sieben Linden“ in dem ökologische und soziale Werte die Produktpalette bestimmen. Das Dorf versteht sich als Modell und Forschungsprojekt für eine zukunftsorientierte Lebensweise, in der Arbeit und Freizeit, Ökologie und Ökonomie, Individuum und Gemeinschaft in Gleichklang gebracht werden. Selbstversorgung, regionaler Handel und Tausch definieren eine mögliche Marktform, die den eigenen sozialen und ökologischen Ansprüchen entspricht. Eine Art kleiner Parallelmarkt, der sich auf selbst hergestellte Produkte und auf Produkte der Region beschränkt. Ein Markt, der sich bewusst gegen weltwirtschaftliche und globale Produktionsprozesse und Handelszonen richtet.
Parallelmärkte, die als Reaktion auf bestehende Märkte und auf sozialpolitische und gesellschaftliche Bedingungen und Entwicklungen entstehen können, sind Orte selbstorganisierter Handelszonen, die zwischen Illegalität, Existenzsicherung, Angst, Vertreibung, Ausgeschlossensein und Armut pendeln.
Märkte auf denen Teile von Wohnungsinventaren, Einrichtungsgegenstände und Gebrauchsgegenstände verkauft, gekauft oder getauscht werden, entstehen in den Randbereichen der Großstädte. Innerhalb autonomer Märkte, die ihre eigenen Gesetze und Warenwerte festsetzen, wird versucht, der vom internationalen Markt produzierten Ungleichheit in einer Art selbstorganisierter Marktwirtschaft entgegen zu wirken. Der Handel mit Abfallprodukten kapitalistischer Konsumgesellschaften repräsentiert einen Marktplatz der Ungleichheiten. Die Wiederverwertung, der Handel mit bereits benützten Gegenständen dokumentiert den Verkauf des mühsam eingerichteten Alltagslebens und einen Verkauf des Inventars privater Räume. Gebrauchtes, Benütztes, Privates wird verteilt. Mit Gegenständen, die an bessere Zeiten erinnern wird Handel betrieben. Privatgegenstände, Erinnerungsstücke, Kleidungsstücke, Gebrauchsgegenstände werden in den öffentlichen Raum getragen um die Besitzer zu wechseln. Wertigkeiten von Gegenständen werden neu ausverhandelt, wobei die Not oft den niedrigen Preis bestimmt. Von gebrauchten Autoteilen bis zu Markenwarenkopien wird alles angeboten. Diese Parallelmärkte etablieren neue Verteilungsstrukturen und damit verbunden entstehen neue soziale Räume zwischen öffentlich und privat und zwischen legal und illegal. Marktökonomien der Straße, die durch ihre Mobilität und Flüchtigkeit und ihren hohen Unsicherheitsfaktor geprägt sind konstituieren in ihrer ursprünglichen Form, Austauschplätze sozialer Begegnungen, Verhaltensweisen und Produkte.
Parallelmärkte spielen sich als gesellschaftliche Gegenmodelle im öffentlichen Raum ab und entwickeln soziale Strukturen und eigene Gesetze, werden aber oft nicht wahrgenommen und verschwinden in der Unsichtbarkeit. Diese Märkte sind eine Folge des Versagens von Wirtschaftspolitik oder entstehen als Reaktion auf gesellschaftspolitische Entwicklungen. Selbstorganisierte Märkte offerieren ein Forum für Überlebenspraxen und Zonen der Partizipation, die der illegale oder legale Handel ermöglichen kann, oftmals eine der wenigen Überlebenschancen, die zur Verfügung stehen. In Argentinien konnten zum Beispiel durch die Gründung von Parallelmärkten und durch den Handel mit Schwundgeld die Auswirkungen der Wirtschaftskrise 2001 entschärft werden.
Selbstorganisation entsteht aus Notlagen, Miseren, Veränderungswünschen, ideellen Vorstellungen und Überzeugungen, oft als Reaktion auf bestehende Verhältnisse oder aus politischem Kalkül, das z.B. Genossenschaften fördern kann, aber auch AsylantInnen bewusst von Arbeitsprozessen ausschließt.