Prosoche, 2005/2006
C-print, 128 x 160 cm
(e.) Twin Gabriel reflektieren in ihren Arbeiten eigene persönliche Situationen innerhalb gesellschaftspolitischer Bezugssysteme. Es werden „Familienaufstellungen“ mit unterschiedlichen Identitätskonstellationen inszeniert um unterschiedliche soziale und kulturelle Klassen zu repräsentieren. Das private System Familie wird mit gesellschaftspolitischen Systemen konfrontiert und zu unterschiedlichen Modellen realer Lebenskonstruktionen transformiert um auf systemimmanente Widersprüche aufmerksam zu machen.
(e.) Twin Gabriel inszenieren sich in ihrer Fotoserie „Prosoche“ (bedeutet: dem nächstliegenden Schrecken ins Auge blicken) als outdrop Familie am Sozialamt in Neukölln. Das Paar wartet mit seinen beiden Kindern in einem langen Gang des Sozialamtes auf die nächste Demütigung. Völlig resigniert spiegelt das Warten die trostlose Lebenssituation wider. Bewusst werden Disziplinierungsmaßnahmen wie Wartenlassen von den zuständigen Ämtern eingesetzt um die Bittstellerposition klar zu definieren und absolute Abhängigkeitsbedingungen zu demonstrieren.
„In unserer Demokratie ist immer die Rede von den vermischten Gesellschaften, stattdessen sehe ich eine ganze Anzahl von Parallelgesellschaften, mit denen man allenfalls Fühlung aufnehmen kann“, erklärt Else Gabriel. Die Familie auf dem Sozialamt sei Teil einer solchen Parallelgesellschaft. Außerdem habe die Arbeit natürlich etwas mit dem „Klischee vom zwangsproletarisierten Ostdeutschen zu tun“, so Gabriel, die selbst aus der ehemaligen DDR stammt. „Und da sind wir ein Teil von, keine Frage.“ (Else Gabriel)
Gesellschaftsschichten vermischen sich immer weniger, da die soziale Kluft immer größer wird und damit die Möglichkeit für ärmere Bevölkerungsschichten am gesellschaftlichen öffentlichen Leben teilzuhaben massiv erschwert wird. Es ist nicht mehr leistbar. Die Folgen sind soziale Isolation, Vereinsamung, Depression und Perspektivelosigkeit. Es wird bewusst eine Parallelgesellschaft produziert, die durch immer größer werdende Armut geprägt ist und die als Folge einer Politik der sozialen Unterschiede gesehen werden kann. Die zunehmende Zahl der Gründungen von Privatschulen belegt diese Entwicklung. Eine gerechte Verteilung von Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten ist nicht mehr gegeben. Bildungschancen sind dank Elitisierungsbestrebungen wieder vermehrt klassenabhängig.